Widerständler und Theologe

«Gekapert» - Experten kritisieren Vereinnahmung Bonhoeffers

01. April 2025 , 04:30 Uhr

Vor 80 Jahren ermordeten die Nazis den evangelischen Theologen und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer. Experten warnen: Vor allem in den USA werden seine Worte und seine Person missdeutet.

Kurz vor dem 80. Todestag Dietrich Bonhoeffers haben Experten sich besorgt gezeigt über die Vereinnahmung des evangelischen Theologen und Widerstandskämpfers durch extreme Kräfte. 

US-amerikanische Rechtspopulisten aus Teilen des evangelikalen Milieus, die zugleich entschiedene Unterstützer von Präsident Donald Trump seien, «haben Bonhoeffer für ihre politischen Ziele gekapert», sagte Heinrich Bedford-Strohm, früherer Chef des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). «Da wird der gewaltsame Sturm aufs Kapitol mit Bonhoeffers Gedanken zum Widerstand gegen Hitlers Unrechtsregime gerechtfertigt. Das ist völlig absurd.»

Bonhoeffers USA-Aufenthalt

Der Chef der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg in der Oberpfalz, Jörg Skriebeleit, sagte: «In den USA wurde Bonhoeffer, vor allem durch die Biografie von Eric Metaxas, zugerichtet und umgedeutet als Opponent gegen das Böse.» Und das Böse sei aus evangelikaler Sicht eine liberale Politik, was unter «Wokeness» zusammengefasst werde. Auch Bonhoeffers USA-Aufenthalt passe nicht in dieses verzerrte Bild: Er sei damals zum Beispiel in Harlem gewesen, habe sich bewusst mit Persons of color und deren Situation beschäftigt.

Bonhoeffer, 1906 in Breslau geboren, war ein entschiedener Gegner der Nationalsozialisten. Am 9. April 1945, kurz vor Kriegsende, wurde er im KZ Flossenbürg in Ostbayern ermordet. Einer breiten Öffentlichkeit bekannt ist er vor allem durch sein später vertontes Gedicht «Von guten Mächten».

«Er hat sich für Frieden eingesetzt»

«Wir haben gerade im vergangenen Jahr einige Vereinnahmungen von Bonhoeffer durch christliche Nationalisten erlebt», sagte Florian Höhne, der Vorsitzende der Internationalen Bonhoeffer-Gesellschaft: Der totalitäre nationalsozialistische Staat werde dabei parallelisiert mit einer offenen, demokratischen Gesellschaft. 

«Und vor dem Hintergrund dieser Parallelisierung schien es dann möglich, Bonhoeffer zu vereinnahmen für die Sache christlicher Nationalisten», erläuterte der Professor der Uni Erlangen. «Diese Vereinnahmung ist erstens grundsätzlich problematisch und zweitens wird sie Bonhoeffer nicht gerecht: Er hat sich für Frieden eingesetzt, er hat nach dem gefragt, was uns über Nationengrenzen hinweg miteinander verbindet und er hat sich immer für die Verantwortung für den Nächsten und auch gerade für den schwächsten Nächsten eingesetzt.»

Quelle: dpa

 

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