Diskussion um das Zinnfigurenmuseum auf der Plassenburg: Museumsleiterin nimmt Stellung

Mit dem Vorhaben, das Zinnfigurenmuseum auf der Plassenburg attraktiver zu machen, sei das gelungen, was schon lange nicht mehr der Fall war: Kulmbach diskutiert lebhaft über sein Zinnfigurenmuseum. So schreibt es die Stadt Kulmbach und veröffentlicht ein Interview mit Museumsleiterin Nina Schipkowski.
Darin nimmt sie Stellung zu dem Museum an sich, dem Modernisierungskonzept und der Diskussion darüber. Dazu erklärt sie, dass das Museum grundsätzlich nicht den Anspruch eines Geschichtsmuseums habe und die vorhandenen Exponate das auch nicht hergäben. Es ginge mit dem neuen Konzept aber auch nicht darum, Schlachtfeld-Darstellungen zu verbannen, sondern die Kunst entsprechend einzuordnen. Damit reagiert sie auf die Kritik, dass Gewalt – und Kriegsdarstellungen im neuen Museum keinen Platz mehr finden sollen, weil sie bei Jüngeren eine Begeisterung für Waffen und Gewalt auslösen könnten. Das sei in dem Konzept auf einer von 65 Seiten thematisiert worden, so Schipkowski. Ihrer Meinung nach sei der Auftrag des Museums, den gesamten Kosmos rund um das Thema Zinnfigur zu repräsentieren.
Das komplette Interview:
Der Kulmbacher Stadtrat will das Deutsche Zinnfigurenmuseum attraktiver zu machen und beginnt damit eine Diskussion über die Ausstellungsinhalte. Museumsleiterin Nina Schipkowski spricht im Interview über die Zukunft der Plassenburg und des Deutschen Zinnfigurenmuseums.
Frau Schipkowski, das Deutsche Zinnfigurenmuseum auf der Plassenburg feiert im Jahr 2029 sein 100-jähriges Bestehen. Mit Blick auf dieses eindrucksvolle Jubiläum hat der Kulmbacher Stadtrat den Weg für eine Modernisierung des Museums geebnet. Längst überfällig oder genau zum richtigen Zeitpunkt?
Nina Schipkowksi: Spätestens seit dem Jahr 2020 ist die Attraktivierung der Museen auf der Plassenburg ein ganz konkretes Thema. Den Wunsch gibt es in der Stadt Kulmbach schon sehr lange. Als Museumsleiterin habe ich die Aufgabe, nach Möglichkeiten zu suchen. Das Jubiläumsjahr 2029 ist ein hervorragendes Datum, um die überfälligen Vorhaben endlich in die Tat umzusetzen.
Sie sind Fachfrau für Museen und können einschätzen, was Besucher anlockt und Museen attraktiv macht. Ist es im Jahr 2025 aus Ihrer Sicht überhaupt noch sinnvoll, so viel Arbeit und vor allem auch Geld dem Thema Zinnfigur zu widmen?
Das Deutsche Zinnfigurenmuseum ist ein Alleinstellungsmerkmal für
Kulmbach. Es ist untrennbar verbunden mit der Stadt und mit der Plassenburg und besitzt nicht nur eine überregionale Strahlkraft, sondern erfreut sich europaweiter Bekanntheit. Deshalb haben wir auch die Verpflichtung, unsere Verantwortung für das Deutsche Zinnfigurenmuseum zu tragen und kontinuierlich ein zeitgemäßes Angebot zu machen. Dafür sollte in eine besucherorientierte Ausstellungsgestaltung des Zinnfigurenmuseums investiert werden. Zu diesem Ergebnis kam auch die vom Stadtrat eingesetzte Museumskommission, die in den vergangenen Jahren zusammen mit Fachleuten das Thema bearbeitet hat.
Zum ersten Mal liegt nun ein Konzept vor. Es wurde vom Stadtrat mit 24 gegen zwei Stimmen verabschiedet und soll als Grundlage für die weiteren Schritte dienen. Wie sehen diese konkret aus, hin zu einem zeitgemäßen, modernen Zinnfigurenmuseum?
Der Museumsentwicklungsplan ist für den Kulmbacher Stadtrat die richtungsweisende Entscheidungsgrundlage gewesen, die mögliche Neukonzeptionierung des Deutschen Zinnfigurenmuseums in die nächste Phase zu verabschieden. Der nächste Schritt sieht vor, auf der Basis des Museumsentwicklungsplans eine sogenannte Feinkonzeptionierung zu beauftragen. Dabei werden dann auch konkret die Exponate, Themen und Bereiche festgelegt, die die neue Dauerausstellung bilden sollen. Das Feinkonzept bildet wiederum die nötige Grundlage für Finanzierungsgespräche mit Fördergebern. Erst wenn eine solide Basis geschaffen wurde, wird sich der Stadtrat für eine Umsetzung der Maßnahmen entscheiden.
Das heißt, im aktuell diskutierten Entwicklungsplan sind die konkreten Inhalte für das Zinnfigurenmuseum noch gar nicht festgelegt? Aber es wurde doch schon Kritik laut, dass angeblich Gewalt- und Kriegsdarstellungen im neuen Museum keinen Platz mehr finden sollen, da sie bei jüngeren Besuchern eine gewisse Begeisterung für Waffen und Gewalt auslösen könnten. Manch einer spricht sogar von Geschichtsglättung. Müssen wir davon ausgehen, dass napoleonische Schlachten oder Kämpfe aus dem Römerreich oder dem Wilden Westen aus dem Museum verbannt werden?
Nein, das ist natürlich haltlos. Der Entwicklungsplan weist auf einer einzigen von 65 Seiten darauf hin, dass sensible Objekte wie in allen Museen mit Blick auf die gültigen ethischen Richtlinien und Museumsstandards der ICOM (International Council of Museums) geprüft werden sollen. Es geht also nicht um eine Verbannung von Schlachtfeld-Darstellungen, sondern schlicht um einen verantwortungsvollen Umgang damit und auch um eine entsprechende Einordnung der Ausstellungsobjekte: Welche Intention hatte der Künstler, an welchen tatsächlichen Gegebenheiten orientiert sich die Gestaltung, welche Freiheiten hat sich der Künstler bei der Ausarbeitung genommen? Das hat nichts mit Geschichtsglättung zu tun. Wir ordnen Kunst entsprechend ein. Genau das ist die Aufgabe eines Museums.
Auch der Konraditag ist bisher als Diorama im Zinnfigurenmuseum zu bestaunen. Es ist eines der grausamsten, aber historisch bedeutendsten Ereignisse der Kulmbacher Stadtgeschichte. Besteht die Gefahr, dass aufgrund der Darstellung von Krieg und Gewalt ein Stück Kulmbach aus dem Museum verschwindet?
Niemals! Wieso sollten wir unseren beeindruckenden Weltrekordhalter aus dem Museum entfernen? Das Großdiorama steht leider immer noch im letzten Eck des Museums. Ich werde es dort auf jeden Fall herausholen. Der Konraditag wird zum Herzstück. Eine spannende, zeitgemäße Erklärung der Ereignisse von 1553 und der Umzug des Dioramas innerhalb des Museums wird auch von unseren Sammlerfreunden sehr befürwortet und unterstützt.
Zu den städtischen Museen zählt auch das Landschaftsmuseum Obermain. Weshalb hat sich der Stadtrat entschieden, nur das Zinnfigurenmuseum zu modernisieren und nicht gleich beide Museen? Oder vielleicht sogar noch weitere Teile der Burg?
Die Plassenburg ist eine Liegenschaft des Freistaates Bayern. Die Stadt Kulmbach hat sich mit ihren zwei Museen lediglich eingemietet. Das heißt, die Einflussmöglichkeiten der Stadt beschränken sich auf ihre Mietbereiche, also die Ausstellungen von Landschaftsmuseum und Zinnfigurenmuseum. Die Dauerausstellung des Landschaftsmuseums wurde in den 1990er-Jahren umgesetzt und ist bis heute erstaunlich zeitlos und immer noch ansprechend. Hingegen ist das Zinnfigurenmuseum nach dem Totalverlust 1945 bereits in den 50er-Jahren wiederaufgebaut worden. Bis heute stellt es sich als ein Museum von Sammlern für Sammler ohne ein fundiertes Museumskonzept dar. Dort ist deutlicher Bedarf vorhanden.
Frau Birgit Kadatz-Kuhn war für die Erstellung des aktuell diskutierten Grobkonzeptes verantwortlich. Wie wurde die Stadt Kulmbach auf sie aufmerksam? Kannte Sie das Museum und hatte sie vorher bereits Berührungspunkte mit Zinnfiguren?
Mit Beschluss des Stadtrates vom Februar 2024 wurde die Erstellung eines Museumsentwicklungsplans für das Deutsche Zinnfigurenmuseum ausgeschrieben. Das übliche Vergabeprozedere sieht vor, dass verschiedene Planungsbüros ihr Angebot abgeben. Bei der Auswahl haben wir uns auf regionale und von den Museumsfachstellen empfohlene Büros fokussiert. Selbstverständlich haben alle Wettbewerber umfassenden Einblick in die städtischen Museen erhalten, um auch die Rahmenbedingungen auf der Plassenburg berücksichtigen zu können. Frau Kadatz-Kuhn ist international erfolgreich tätig und hat das überzeugendste Angebot unterbreitet. Zinnfiguren waren Frau Kadatz-Kuhn neu. Dafür besitzt sie einen unvoreingenommenen Blick von außen, der bei der Museumsentwicklung unabdingbar ist.
Welche Schwerpunkte hat sie bei der Erstellung des Konzeptes gesetzt? Gab es Vorgaben von Seiten der Stadt, welche Themen besonders gewichtet werden sollen?
Vorgaben gab es bei der Erstellung des Museumsentwicklungsplans keine. Es gibt natürlich Rahmenbedingungen, die berücksichtigt werden wollen. Für die Realisierung von Museumskonzepten ist es enorm wichtig, die Richtlinien potentieller Fördergeber im Hinterkopf zu behalten. Förderfähige Maßnahmen müssen sich immer an den ethischen Richtlinien der ICOM (International Council of Museums) orientieren. Auch Themen wie Inklusion sind inzwischen maßgeblich und werden bei einem zeitgemäßen Museum, in dem sich alle wohlfühlen können, erwartet.
Was kann man sich unter einem modernen, zeitgemäßen Zinnfigurenmuseum überhaupt vorstellen? Lichtinstallationen? Musik? Projektionen?
Als Deutsches Zinnfigurenmuseum haben wir den Auftrag, den gesamten Kosmos rund um das Thema Zinnfigur zu repräsentieren. Das heißt, alles was man mit der Zinnfigur machen kann, soll anschaulich gemacht werden – das Herstellen, Bemalen, Sammeln, Spielen, Kreativsein und der Bau von Dioramen. Als Medium ist dafür natürlich die Figur oder die Figurenaufstellung an sich im Mittelpunkt, ergänzt um die bestmögliche Vermittlung für die Besucherinnen und Besucher.
2,8 Millionen Euro stehen für die Modernisierung des Museums im Raum. Halten Sie den Betrag für realistisch?
Nun ja, der Auftrag des Stadtrates war, eine machbare Lösung anzustreben. Der Museumsentwicklungsplan bewegt sich eher am unteren Rand der zu erwartenden Kosten.
Sammlermuseum, Geschichtsmuseum, Figurenmuseum – von was sprechen wir beim Deutschen Zinnfigurenmuseum überhaupt? Ist es der Anspruch des Museums, Geschichte realitätsnah darzustellen oder geht es doch viel mehr um die Darstellung und Zurschaustellung der Zinnfigur?
In der Tat hat August Bonneß (1890-1944) das Zinnfigurenmuseum bei seiner Gründung 1929 als „Museum für Geschichte in plastischen Bildern und als stolze Erinnerung an große und glückhafte Zeiten des Vaterlandes“ gesehen. Doch den Anspruch eines Geschichtsmuseums hat unser Zinnfigurenmuseum ganz einfach nicht mehr. Das geben die vorhandenen Exponate auch gar nicht her. Ein Geschichtsmuseum erfordert den wissenschaftlich objektiven Blick auf die Vergangenheit. Was die Diorama-Darstellungen des Zinnfigurenmuseums bieten können, ist aber der subjektive Blick des jeweiligen Herstellers. Geschichte darzustellen ist freilich ein mitunter höchst akribisch durchgeführter Schwerpunkt innerhalb des Zinnfigurenkosmos und wird selbstverständlich auch zukünftig einen großen Themenbereich einnehmen. Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte hat sich das Museum dann aber zu einer Ausstellung von Sammlern für Sammler und den interessierten Laien entwickelt – wie beim Umzug in den Arsenalbau 1993 erstmals kundgetan wurde.
Und in Zukunft?
Zukünftig soll ein Besuch im Zinnfigurenmuseum noch mehr verdeutlichen: Dass es sich eben nicht um ein Geschichtsmuseum handelt, sondern um ein Museum, das die vielfältigen Handlungsmöglichkeiten von und mit Zinnfiguren darstellt. Sammler zeigen dort ihre Exponate und Dioramen, die sich zwar oftmals an historischen Ereignissen orientieren, in der künstlerischen Darstellung aber zuhöchst individualisiert sind und keinesfalls mit dem Anspruch von objektiver Geschichtsdarstellung daherkommen.
Was ist Ihnen als Museumsleiterin bei der Modernisierung des Museums besonders wichtig?
Vertrauen. Vertrauen darauf, dass in einer Museumneukonzeption partizipativ auch Sammler, Bürger und Besucher Berücksichtigung finden, auch wenn Fachleute innerhalb der Möglichkeiten abwägen und entscheiden müssen.
Bis die mögliche Modernisierung abgeschlossen ist, gehen Jahre ins Land. Doch auch bis dahin möchten Sie natürlich weiterhin Menschen für den Besuch im Museum begeistern. Wie kann das gelingen? Was haben sie noch vor?
Bei der aktuellen Planungsunsicherheit für das Zinnfigurenmuseum sind neue Projekte natürlich schwierig zu bewerkstelligen. Deswegen bin ich froh, allen Interessierten bis ins Frühjahr 2026 ein weiteres Objekt von Sammelleidenschaft, nämlich die Schlümpfe, präsentieren zu können. Was wir den Besuchern dann im Börsenjahr 2026 anbieten können, steht noch nicht zu 100 Prozent fest. Aber zum Glück habe ich ja noch ein anderes Museum und da habe ich schon eine tolle nächste Ausstellung in der Vorbereitung! Unsere Besucher können gespannt sein.